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Freitag, 10. Oktober 2008

Die Qual der Wahl

Bisher habe ich hier noch kein Wort über die bevorstehenden Wahlen verloren. Nachdem ich nun aber die vorletzte Debatte gesehen und verschiedene Artikel gelesen habe, will ich doch mal meinen Augenzeugensenf dazugeben...

Presidential Debates

Am Dienstag, den 07. Oktober wurde auf mehreren öffentlichen Sendern die zweite von drei Presidential Debates übertragen. Ich hatte davon nur per Zufall von meinem Prof erfahren, bei dem ich eine Stunde vor Sendungsbeginn eine Klausur abgegeben hatte. Die lief übrigens sehr lala. Der Prof jedenfalls (Thomas Schuttenhelm, Musikgeschichte) ist politisch sehr aktiv und am Weltgeschehen interessiert. Da die Klausur schnell vorbei war und ich auf meinen nächsten Bus lange hätte warten müssen, war er so nett, mich nach Hause zu fahren. Auf dem Weg erklärte er mir in wenigen Sätzen viele Details über das amerikanische Wahlsystem, die ich schon wieder vergessen habe; er empfahl mir allerdings mit Nachdruck, die Debatte anzuschauen. Wenn schon nicht, um mir eine Meinung zu bilden, dann wenigstens der Unterhaltung wegen.

Und es war ein guter Tipp.

Die Show fand in der Belmont University statt, in Nashville, Tennessee. Moderator: Tom Brokaw (bekannt durch "Meet the Press"). Jede "Runde" wurde mit einer Frage aus dem Publikum eröffnet (wahrscheinlich sorgfältig ausgewählt), auf die jeder Kandidat im Wechsel zwei Minuten lang antworten sollte; anschließend eine kurze Debatte (eine Minute pro Kandidat) zu einem von Tom gegebenen Thema. Um Punkt 9.00 schüttelten sich die Kandidaten die Hände, auf eine "faire Debatte". Obama hatte zuvor den Münzwurf für sich entschieden und durfte anfangen.

Die Fragen aus dem Publikum waren gut gewählt. Hätten die Kandidaten auf die Fragen auch geantwortet, dann wäre ich jetzt um ein klares Bild der Positionen beider Parteien reicher.

Hamse aber nicht. Stattdessen lief das (schematisch) in etwa so ab:

Judy: "Das Dach meines Hauses hat Löcher, meine Kinder sind ungebildete Rotzlöffel und ich war seit zehn Jahren nicht mehr beim Zahnarzt. Was denken Sie dagegen zu tun, sollten Sie zum Präsidenten gewählt werden?"

McCain: "Judy, vielen Dank für deine Frage, es ist eine exzellente Frage, und lass mich dir versichern, dass viele Mit-Amerikaner Löcher in Dächern haben. Wir alle fühlen uns manchmal genau so, wie du dich gerade fühlst. Aber das ist genau das, was Amerika groß gemacht hat, meine Freunde, und darauf will ich bauen: ein unglaublicher Wille eint die stolzen Bürger dieses großartigen Landes. Derselbe Wille, der nach den terroristischen Anschlägen von 9/11 in den Tränen jedes patriotischen Amerikaners zu sehen war. Dieses Land steht weit entfernt vom Abgrund, meine Freunde, wir sind nach wie vor das mächtigste Land der Welt, wir haben dem Terrorismus nach 9/11 den Krieg erklärt und die Verantwortlichen gefasst.

Obama hat übrigens vor 5 Jahren für ein Gesetz gestimmt, in dem ein Passus ge-gen Sub-ven-tio-nie-rung von Dachbauten enthalten war. Ich will meinen wertgeschätzten Konkurrenten nicht schlechtreden, ich zitere lediglich Fakten.

Für die Zahnarztkosten wird jeder Amerikaner - sobald ich Präsident bin - $5000 Steuerrückzahlungen erhalten, und deine Kinder gehören mal so richtig versohlt."

Zugegeben...

Der letzte Satz war bis auf die $5000 (ein echtes Statement!) erfunden. Und der Rest dramatisiert. Aber McCains Gestus ist authentisch wiedergegeben.

Für Obama ersetze man einfach "meine Freunde" mit "fellow Americans" und denke sich das Ganze etwas eleganter und ein klitzekleines bisschen weniger patriotisch vorgetragen. McCain ist nämlich nicht nur alt und sieht so aus, nein, er redet auch so.

Obama kam bei der Sache allerdings sichtlich besser weg. Vergleichbar mit Schröder vs. Stoiber Anno 2002. Er überzeugt mich auf jeden Fall 100mal mehr, alleine schon dadurch, dass mit ihm ein junges und demokratisches Kabinett die Regierung übernehmen würde. Nicht die ewig gleich alten Schergen aus BushBush-Kreisen.

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