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Dienstag, 9. September 2008

Von "A" wie Apple bis Z wie "Zum Teufel mit amerikanischem Kaffee"

So, Zeit fuer ein groesseres Update. Einiges ist Geschehen seit meinem letzten Eintrag und darueber hinaus versuche ich seit zwei Stunden krampfhaft, mich irgendwie zu beschaeftigen. Studieren in den Staaten ist erstaunlich zeitunaufwendig - und das, obwohl ich mit 13 Credits in diesem Semester mehr Credits als so manch anderer Graduate Student habe. Aber beginnen wir von vorne...

Apple - Letzten Freitag habe ich mir nun endlich einen Computer zugelegt. Und jawohl, ich schreibe diese Zeilen 1. von zu Hause aus, 2. ueber eine ComCast-Kabelverbindung mit bis zu 2 Mb/s Downstream und 3. auf meinem hoechsteigenen MacBook Pro. Die drei Wochen ohne digitales Zuhause waren eine interessante Erfahrung, moechte ich sagen. Andererseits gestaltet es sich doch erstaunlich schwer, ohne digitales Adressbuch, eigene Dateien und andere moderne Accessoires seinen kommunikativen Verpflichtungen nachzkommen. Will sagen - erst heute komme ich Dank Technik dazu, eine Rundmail mit meinen aktuellen Kontaktdaten zu verschicken. 

Das Geraet ist aber auch sonst ein Segen - fuer umgerechnet 1.600 Euro (danke, Weltmarkt!) liefert mir der handliche und formschoene graue Kasten alles, was ich fuer Studium und Hobbies brauche. Ausserdem gab's noch nen schmucken iPod Touch 16 GB gratis obendrauf, und das alleine war fuer mich Argument genug!

Was mich wiederum nachdenklich gestimmt hat, war die Apple-Info-Veranstaltung, die ich am selben Tag besucht habe. Der University of Hartford ist ein Bookstore angegliedert, in welchem ich meinen Kauf getaetigt habe. Dort arbeiten gleich drei von Apple ausgebildete Berater (alles Studenten), ausserdem ist der Universitaet ein offiziell bei Apple angestellter "Student Representative" zugeteilt. Waehrend der Veranstaltung informierten uns abwechselnd der Bookstore-Inhaber, einer der Berater, der Representative, der Direktor der Hartt School, der Leiter der IT-Abteilung der Uni und ein noch offiziellerer Apple-Mitarbeiter ueber unser Glueck, ab jetzt zum auserwaehlten Kreis der Mac-Besitzer zu gehoeren. Waehrend der naechsten Stunde wurde die Gruppenzwangalarmglocke in meinem Kopf zunehmend lauter; und gluecklicherweise hielt mich mein Ueber-Ich davon ab, vor 50 anwesenden Studenten und Lehrern aufzustehen und wild mit Zitaten aus "Clockwork Orange" und "The Prisoner" um mich zu werfen.

Apple hat jedenfalls Ahnung von Kundenakquise. Und waehrend sich Microsoft auf seinem Monopolstatus ausruht und Linux & Co. es sich in ihrer Nerd-Nische gemuetlich gemacht haben, kuemmert sich Apple aktiv um einen stetig wachsenden Kundenkreis. Das Elegante an der Sache: Weil mit Apple alles so einfach ist, solange man AUSSCHLIESSLICH Apple-Produkte benutzt, sind Szenarien wie "Cyberdine" durchaus moeglich. Alles ist vernetzt, alles wird einfacher, simpler, ferngesteuerter, automatischer...

Autos - In Amerika sind die Entfernungen bereits zwischen benachbarten Staedten relativ gross. Wer kein Auto hat, ist aufgeschmissen. Gluecklicherweise habe ich wenigstens mein Fahrrad, oder fuer groessere Entfernungen eine Handvoll freundlicher Menschen, die mich zu weiter entfernten Zielen chauffieren. 

Obwohl in den Staaten so langsam ein Umdenken in Sachen Umwelt stattfindet, schluckt das Durchschnittsauto immer noch 10 l / 100 km und eine vierkoepfige Familie kauft sich ohne gross nachzudenken besser doch gleich den Kleinbus - alles andere waere zu klein. Ausserdem HAT wirklich JEDER ein Auto. Mit 17 die ersten Fahrstunden, Punkt 18 den Lappen und gleichzeitig etwas Fahrbares; fuer gewoehnlich von den Eltern finanziert. Und die meisten meiner Kollegen an der Uni fahren wirklich schicke Modelle...

Was das Umdenken angeht: Die Entwicklung von spritsparenden Hybridmodellen schreitet proportional zur Hoehe des momentanen Benzinpreises voran - welcher allerdings dank Subventionen immer noch weit niedriger ist als der Preis in Europa. Die Logik liegt auf der Hand: Teures Benzin wuerde den Autobesitzer in spe davon abhalten, teure Autos zu kaufen und diese auch ausgiebig zu fahren - also wird der Preis solange gedrueckt, bis die Subventionen kostspieliger sind als der Gewinn durch den Verkauf neuer Autos. Und bis dahin dauert es noch, zumal momentan ueberlegt wird, die Oelreserven UNTER den Kontinenten anzuzapfen. Fuer mich ein etwas beunruhigender Gedanke, zumal ich gerade "Der Schwarm" von Frank Schaetzing lese (durchaus spannend - danke, Martin...!).

Studium - Ja, studieren tu ich auch noch nebenbei. Wie oben bemerkt habe ich mit meiner Beraterin eine Study Load von 13 Credits ausgearbeitet. Darin enthalten sind:

  1. Wiederholungskurse fuer Theorie und Geschichte. Offenbar habe ich in den Einstufungstests nicht ausreichend gut abgeschnitten, was angesichts der unbekannten englischen Fachbegriffe fuer mich keine Ueberraschung ist. Dasselbe ist allerdings auch ungefaehr der Haelfte meiner des Englischen durchaus maechtigen Mitstudenten passiert.
  2. Ein Seminar ueber veschiedene Ansaetze, Musik zu unterrichten. Basiert auf neuesten Erkenntnissen aus den Neurowissenschaften - sehr spannend, auch aus psychologischer Sicht. Ausserdem sehr unterhaltsam, da wir hier nur zu dritt sind.
  3. Ein Kurs fuer Zoltan Kodalys Solfege-Ansatz. Hier lerne ich zusammen mit etwa 20 anderen Opfern, wie man eine Melodie vom Blatt in Tonsilben singt und das Ganze mit Handzeichen unterstuetzt. Ein amuesanter Bartok-Fan aus Ungarn als Dozent.
  4. Ein Seminar zum Thema "Research & Writing". Fuer MuHo-Studenten: Das ist Willam in internationalen Standards und mit einem durchaus gebildeten Musikwissenschaftler als Dozent.
  5. Ein Kolloquium ueber Forschung in der Musikpaedagogik. Hier sind wir zu acht, ebenfalls ein sehr netter Haufen. 

Die Hartt School ist fuer studentische Belange hervorragend ausgestattet: Wir haben einen Computerraum mit einsatzbereiten Macs fuer Toningenieure und Komponisten; einen Raum mit mehreren Digitalpianos fuer stummes Ueben und Aufnahmen ueber dort eingerichtete Computer; ein eigenes Tonstudio mit drei aeusserst netten und kompetenten Techniker(inne)n; viiiiele Raeueme zum Ueben (bisher habe ich noch immer einen freien Raum gefunden); und eine frisch gebaute und eroeffnete Konzerthalle ausserhalb (neben mehreren kleinen Konzertsaelen in der Hartt School selbst).

Als einziges Manko moechte ich hier die Qualitaet der Instrumente anfuehren: Auch wenn es sehr viele Raueme mit Fluegeln oder Klavieren gibt, sind die meisten verstimmt oder klingen nicht schoen, oder beides. Das liegt zum grossen Teil wohl daran, dass das Gebaeude aus ominoesen Gruenden vorsintflutlich schlecht isoliert ist (--> grosse Temperaturschwankungen und hohe Feuchtigkeit) - andererseits kann es aber auch sein, dass sich schlicht und ergreifend niemand um die Instrumente kuemmert. Solange noch alles Tasten dran sind, wird offensichtlich nichts unternommen. 

Theater - Letzten Mittwoch wurden Probespiele fuer die Campus-interne Theatergruppe "Stop Laughing Mom" abgehalten. Wie immer hatte ich Glueck: der bis dato engagierte Musiker hat letztes Semester sein Studium abgeschlossen, die Stelle des Pianisten war also frei. Nachdem ich auf Zuruf ein paar Takte dieses und jenes improvisiert hatte (und nachdem sich niemand sont fuer die Stelle interessiert hat, hihi...), wurde ich vom Fleck weg engagiert. SLM haben eine stehende Fangemeinde, die alle zwei Wochen das groesste Auditorium der Bibliothek fuellt (knapp 200 Sitzplaetze). Ausserdem verlangen die Jungs & Maedels lediglich $1 Eintritt, was dem ganzen einen netten subversiven Touch verleiht. Ihr Stil scheint stark in die Richtung der Comedy-Impro-Show "Whose Line is it anyway" zu gehen, die hier in den Staaten recht beruehmt ist. Vorbild fuer SLMs Methoden und Buehnenphilosophie ist definitiv Chicagos "Second City", der Ursprung des amerikanischen Improtheaters (gegenueber kanadischem und britischem...). 

Die erste Probe ist am 17. September, eine Woche vor der ersten Show - ich bin gespannt und uebe fleissig Stilimitationen!

Wetter - Mark Twain (dessen Haus in Hartford ich uebrigens letzte Woche besichtigt habe) hat einmal gesagt: "If you don't like the weather in New England, just wait a few minutes."

Ich wuerde noch weiter gehen und die Minuten durch Sekunden ersetzen. 

Im Sommer ist es hier jedenfalls affig heiss. 30 Grad Celsius sind Standard - der einzige Unterschied tagsueber liegt in der Luftfeuchtigkeit. Und die nimmt regelmaessig tropische Ausmasse an, solange der Hurricane aus dem Sueden noch nicht hier eingetroffen ist. Unter diesen Umstaenden verstehe ich nun auch, warum hier JEDES Apartment mit einer Klimaanlange ausgeruestet ist. Die Hitze wuerde ich ja noch aushalten, aber die Luftfeuchtigkeit sorgt dafuer, dass man mit jedem Schritt gefuehlte 20 Liter Schweiss absondert. 

Es kann allerdings immer sein, dass sich wie aus dem Nichts eine Regenfront am Himmel auftut und man von einem kuehlenden wenn auch sehr nassen Platzregen ueberrascht wird. Gewitter sind damit meist auch an der Tagesordnung. Nach solchen Schauern ist es angenehm kuehl (um die 25 Grad) und: nicht mehr feucht! Wenn der Schauer aber kein Hurricane war, stabilisiert sich die Wetterlage in wenigen Minuten wieder auf Regendwaldniveau.

"WENN!", denn: Vorgestern nacht hatten wir hier unseren ersten Hurricane, namentlich Hannah. Hannah hatte sich den ganzen Samstag ueber die Ostkueste entlang Richtung Norden hochgearbeitet und dabei mehrere Ueberschwemmungen mit Todesfaellen verursacht. Der Sturm selbst war nicht das Problem - vielmehr war es das Wasser, dass er mit sich brachte... Die Inseln im Bermuda-Dreieck waren komplett ueberflutet. Ich erfuhr denn auch, dass der Campus in Hartford regelmaessig unter Wasser steht, weil ein putziges Baechlein mittendurch fuehrt. Welches sich, natuerlich, bei Regen zum reissenden Strom entwickelt. 

Hannah war kein allzu starker Hurricane (lediglich Stufe 1), allerdings schob sie eine verdaechtig schraeg regnende Gewitterfront vor sich her. Und so kam es zu folgender Begebenheit:

Als der Regen in Hartford angekommen war, war es bereits 11 Uhr nachts. Ich sass gerade noch an meinem Rechner, als ich ploetzlich einen Hauch Feuchtigkeit an meinem linken Oberarm spuerte. Ich schaute nach links und musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass das Wasser auf der Innenseite meines Fensters herabregnete. Schnell brachte ich meine Geraete in Sicherheit und weckte meine Mitbewohner (korrigiere: weckte Aiden, und zerrte George von seinem Computer weg). Es stellte sich schnell heraus, dass nebem meinem Fenster noch eines im Esszimmer und das Fenster von Georges Zimmer undicht waren. Er hatte es nur deshalb nicht bemerkt, weil er gerade eine Schlacht in "World of Warcraft" geschlagen hatte.

Kurzerhand sammelten wir Toepfe und Pfannen, um das Wasser aufzufangen und saugten das Groebste mit Kuechenpapier auf. Ich informierte unsere Vermietergesellschaft ueber die Notfall-Hotline, welche uns allerdings lediglich empfahl, Handtuecher auszulegen. Bevor der Regen stoppt, koenne man eh nichts unternehmen. Hurra. Leicht manisch konstruierten wir aus Schery Auffangvorrichtungen aus Muellsacken, Duct-Tape und Bratpfannen. Seltsamerweise funktionierten diese hervorragend und der Regen hoerte gegen 1:30 nachts denn auch wieder auf... 

Von der ganzen Sache habe ich auch Fotos geschossen - allerdings ist der Akku der Kamera gerade leer und ich kann den Adapter fuer das Ladegeraet nicht mehr finden. Was mich an meinem Geisteszustand zweifeln laesst, da ich den Adapter mit Sicherheit mitgekommen habe und es in meinem Zimmer nicht viele Plaetze gibt, wo ich ihn haette verstecken koennen. Soll heissen: die Bilder folgen nach.

Thus concludes my recollection of recent events - ich werde mich jetzt doch mal wieder den schwarzen und weissen Tasten widmen, sowie den naechsten Artikel ueber Gehirn und Gedaechtnis in "Brain Matters" lesen. 

Cheerio, 
Joe