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Dienstag, 3. März 2009

Le Frisur

Es folgt eine ausführliche Schilderung einer Begebenheit von vor etwa vier Wochen. Für den ungeneigten Leser steht am Ende des Beitrags eine Zusammenfassung der Begebenheit in Bildern bereit.

Ende Januar war mein Haar soweit gewachsen, dass es diese Länge hatte, mit der man absolut nichts anfangen kann. Zu lang zum hinter-die-Ohren-stecken; zu kurz zum Zusammenbinden.

Ich entschied mich also, einen Barbier aufzusuchen. Zufälligerweise befindet sich auf meiner Route zur Bushaltestelle einer dieser "Barber Shops", wo sich früher Männerquintette gründeten und vor sich rot-weiß aufwärts drehenden Spiralen die kuturelle Akklimatisation Schwarzer in Wort und Ton setzten. Ich laufe also nichtsahnend zur Tür herein und begegne drinnen erstmal einer ausschließlich afroamerikanischen Kund- sowie Belegschaft. Der Chef—er trägt eine dieser Kwanza-Mützen— mustert mich kurz und schickt mich dann in einen Nebenraum ("Underground Kutz"), wo die coolen Jugendlichen ihre Haare von einem coolen Jugendlichen geschnitten bekommen. Wobei "Haare" in dem Fall normalerweise dunkle Kringellocken sind, die man schnell mit einem Rasierer in die gewünschte Form mähen kann (und das nennt man hier wohl "The Art of Barbering", zusammen mit einer guten, alten, trockenen Naßrasur). Ich will aber mal nicht voreingenommen sein, und setz mich also auf einen Stuhl zum Warten.

Wie ich es mir noch auf dem Stuhl gemütlich mache, fängt der Barbier an, während er meinen Vorgänger rasiert, seine gut sortierte Weltsicht im "Amen, Brother!"-Predigt-Style vorzutragen. Seine Kollegen nicken zustimmend oder geben Sätze von sich wie "da's wut I'm talkin bout!" (ok, der Akzent ist schwer schriftlich wiederzugeben). Ich befinde mich also auf einmal in einem dieser Filme aus den 70ern, die im afroamerikanischen Milieu spielen, in denen mindestens eine Szene im Barber Shop vonstatten geht, und die jedes erdenkliche heutige Klischee über Schwarze mitgeprägt haben. Worte wie "brother", "Martin Luther King", und "those dickheads in Washington" schwirren durch den Raum.

Während ich mich dann schonmal auf den Stuhl setze, kommt einer der Brüder (Tim) auf mich zu und meint aus tiefsten Herzen, "When I say brother, I mean you too, man. Cuz, you now, we might have a different texture, but when you cut open your skin, what's the color of your blood? Da's right, it's red! You feelin' me?" Unsicher stimme ich zu—ich will seine Aussage mal nicht auf die Probe stellen—wir geben uns die Hand, und ich erfahre, dass Tim immer für mich da sein wird, wenn ich Probleme hab. Dann wendet sich Preston, der Barbier, meinen Haaren zu und beginnt sein Werk.

Auf einmal merke ich, wie sich hinter meinem Rücken die gesamte Belegschaft des Salons versammelt; und Preston beginnt zu erklären, was das besondere an langen, blonden, nichtgekringelten Haaren ist, und wie man sie schneidet. Gut, denke ich mir, Preston weiß wohl besser als die anderen Friseure in dem Laden, was er tut. Ab und zu fragt er mich nach der gewünschten Länge, und ich zeige mit den Fingern, wo er schneiden soll. Nach einer langen Weile—Zeit spielt in diesem Salon trotz mehrfachen Insistierens meinerseits, ich hätte um drei ein Seminar, keine Rolle—lässt er von meinen Haaren ab, bringt den Stuhl in Liegeposition, und fängt an, mich ungefragt zu rasieren. Er benutzt keinen Rasierschaum, und seine Klinge ist stumpfer als... naja, eine sehr, sehr stumpfe Klinge. Ich weiß immer noch nicht so recht, was ich mit der Situation anfangen soll, warte also bis er fertig ist, und erfahre dann am Ende, dass die Rasur extra kostet. Meine Haare fönt er nicht, ich zieh mir also meine Mütze über, zahle, und gehe nach Hause—allerdings nicht ohne einen Haufen kumpelhafter Handschläge meiner neuen Brüder.

Zuhause trockne ich mir die Haare und stelle fest, dass Preston keine Ahnung von Stufenschnitt, Fransen, oder überhaupt Frisuren für Langhaarige zu haben scheint. Mein Pony ist mit dem Lineal gezogen und geht am Rand meines Gesichts in einem 90-Grad-Winkel abwärts. Als Ergebnis meines Frisörbesuchs befand sich also für mehrere Tage eine kleidsame VoKuHiLa auf meinem Kopf (welche ich vergeblich mit mehreren Hüten zu verstecken versuchte); und ich musste einen weiteren Friseursalon aufsuchen. Diesmal aber einen auf Empfehlung meines Mitbewohners.

Vorher:



Nachher:



Zaubher:



Späther:



Nunmher:

1 Kommentar:

Kessi hat gesagt…

Herrlich!!! Dein Beitrag, einfach köstlich ;)), man hat das Gefühl mittendabei zu sitzen und die ganze Szene zu beobachten!!

Wie gut, dass Du soviel verschieden Mützen und Hüte hast, grins.... :)) - aber einen schönen Mann enstellt nicht, das weisst Du ja auch ;)!!